Die Formulierung dieses Änderungsantrags ist ein Kompromissvorschlag, in dem sich alle wiederfinden können, die Ideen des AK Energiemarktdesigns (siehe unten!) als auch die Befürworter der Vergütung nach Leistung oder anderer Konzepte. Dieser Antrag wurde erst mal nur intern auf der BAG-Antragsseite gestellt.
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„marktgetrieben“ ist neoliberal. Anlagebetreiber*innen sollen nicht Getriebene des Marktes werden und das Risiko der Börsenpreisentwicklung aufgebürdet bekommen. Anlagenbetreiber*innen brauchen eine sicher kalkulierbare Vergütung. Sonst würde auch die Finanzierung des EE-Ausbaus erschwert.
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Die Vergütung nach Leistung wird im Programmentwurf völlig überraschend als einzige Lösung festgelegt. Es gab keine öffentliche Diskussion, keine Abstimmung mit unseren Energiepolitikerinnen, keine Abstimmung mit den Verbänden und anderen Akteur*innen der Bürger*innen-Energie. Der letzte konkrete Vorschlag für eine Vergütung nach Leistung stammt aus 2014 und wurde damals allseits verworfen. Die vorschnelle Festlegung im Wahlprogramm auf eine von mehreren möglichen Lösungen ist verfrüht. Konservative Kräfte würden sich freuen, uns darauf festnageln zu können. Es muss zuerst ein konkretes Konzept entwickelt, wissenschaftlich geprüft, und mit den Akteur*innen der Bürger*innen-Energie abgestimmt werden.
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Laut Programmentwurf soll nur noch nach Leistung vergütet werden, und ausdrücklich gar nicht mehr die erzeugte Energie (Arbeit) vergütet werden. Die konkrete Ausgestaltung ist mangels Konzept ein Rätsel, aber alle Varianten der reinen Leistungsvergütung beschädigen den Anreiz für die tatsächliche Energieerzeugung, wie im Folgenden erläutert wird.
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1.) Grundlagen:
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Vergütung der Energie (Arbeit):
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Bisher wird bei den Erneuerbaren die erzeugte Energie (=Arbeit, Einheit kWh) zu einem fast festen Preis vergütet. Die Energie ist grundsätzlich genau das, was die gleiche Energiemenge aus Kohlestrom verdrängt.
Allerdings ergeben sich perspektivisch Überschüsse aus Erneuerbaren, was man an den zunehmenden Stunden negativer Spotmarkt-Preise ablesen kann. Die Bundesregierung setzt zur Lösung auf eine verschärfte Regelung, wonach bei längere Zeit negativen Börsenpreisen die Vergütung gestrichen wird, was zu heftigen Protesten von uns Grünen führte. Aus unserer Sicht sollen zur Lösung der Überschuss-Problems in erster Linie die unflexiblen Kohlekraftwerke schneller abgeschaltet werden und die EE-Überschüsse in der Sektorenkopplung genutzt werden. Das ist besser als Überschüsse zu verhindern.
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Vergütung der Leistung:
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a) Nenn-Leistung:
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Die Nennleistung oder installierte Leistung ist die theoretische Höchstleistung der Anlage (Einheit kW oder kWp) wird bei Sonne und Wind fast nie erreicht. Eine Vergütung nach Nennleistung würde praktisch nur den Bau der Anlage vergüten, aber weder die Energie noch die damit erzeugte Leistung. Die Leistung müsste nur auf dem Datenblatt stehen, es gäbe keine Motivation für eine gute Anlagenauslegung und Qualität, die Anlage könnte im Schatten bzw. Windschatten stehen, und es gäbe keine Motivation für Wartung und Reparatur.
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b) Laufend erzeugte Leistung („Einspeiseprofil“)
Man könnte auch die Leistung so definieren, dass sie der im Lauf der Zeit jeweils momentan erzeugten Leistung entspricht. Wenn man dafür alle Zeitpunkte mitzählt, ist man wieder genau bei der Vergütung nach Energie. Denn mathematisch ist die Energie die Summe über alle im Lauf der Zeit erzeugten Leistungen (multipliziert mit dem Zeitschritt). Ein Unterschied von der Vergütung nach laufend erzeugter Leistung zu Vergütung nach insgesamt erzeugter Energie entsteht erst, wenn man bei die Leistung diejenigen Zeitpunkte nicht mitzählt oder geringer vergütet, bei denen Überschüsse bestehen, also z. B. bei negativen Börsenpreisen. Dann wären wir aber genau bei dem Konzept der Bundesregierung, das wir alle bei der letzten EEG-Novelle heftig bekämpft haben.
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2.) Konzepte
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a) Allgemein
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Mit Anreizen für unterschiedliche Vergütungen kann man nur sehr wenig an der Tatsache ändern, dass die Leistung von PV-Anlagen und Windrädern sich nach Sonnenschein und Wind richtet.
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Wind:
Bei einem Windrad kann man einen zu kleinen Generator nehmen, dann werden die Leistungen bei Starkwind abgeschnitten, aber das ist eigentlich eine Verschwendung von Energie, die zumindest teilweise auch gebraucht wird. Es kann auch zum gegenteiligen Effekt kommen, dass zu große Generatoren genommen werden, damit die theoretische Leistung höher wird, je nach Vergütungsmodell (siehe oben). Außerdem ist festzustellen, dass auch bisher, ohne Einführung eines Anreizes durch ein Leistungsvergütungsmodell, die Entwicklung bei Windrädern sowieso dahin geht, dass Nabenhöhen und Rotordurchmesser größer werden und damit die Einspeisung gleichmäßiger und die Leistung bei Schwachwind besser.
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PV:
Bei PV-Anlagen bringt eine Ost/West-Ausrichtung eine kleine zeitliche Verschiebung Richtung morgens und abends, und das wird heute sowieso häufig schon gemacht (ältere Texte beschreiben das noch als zukünftig).
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b) Alte Konzepte
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Konkrete Konzepte liegen aktuell nicht vor. Einen Vorschlag Leistungsvergütung für EE gab es in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre nicht. Es existiert ein uralter Vorschlag von Agora/Ökoinstitut aus dem Jahre 2014 mit einem äußerst komplizierten Berechnungsmodell (10%/90%-Dezile):
Der BDEW hatte den Vorschlag zunächst aufgegriffen, dann einen Workshop zum Thema gemacht, hat namhafte Wissenschaftler eingeladen und dann die Forderung nach Vergütung von Wind und Sonne nach Leistung verworfen. Siehe dazu die Greenpeace-Studie:
https://www.enklip.de/projekte_32_2975974973.pdf
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c) AK Energiemarktdesign
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Im Papier unseres AK Energiemarktdesign von 2019 findet sich zum einen die Forderung nach einer symmetrischen Marktprämie (contract for difference) statt der bisherigen gleitenden Marktprämie. Mit dem Konzept contract for difference würde die EE-Vergütung noch stärker als bisher fest kalkulierbar und weniger abhängig vom Börsenpreis. Diese Forderung aus dem AK Energiemarkt geht also genau in die umgekehrte Richtung als die Formulierung „marktgetrieben“ im Programmentwurf.
Außerdem steht im Papier des AK Energiemarktdesign von 2019 die Idee:
„1. Eine Grundvergütung, die den Beitrag der Erneuerbaren zur Systemsicherheit und Netzstabilität entlohnt und dadurch sicherstellt. Sie orientiert sich nach der Größe der Anlage, dem prognostizierten Einspeiseprofil sowie der örtlichen Lage der Anlage im Netz und wird wettbewerblich ermittelt.“
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Wie mit Carolin Schenuit bereits ausgetauscht, gibt es dazu bisher keine konkreten Konzepte und Texte. Es handelt sich erst mal nur um eine interessante Idee. Diese Idee wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt, z. B.:
Was ist die „Größe der Anlage“? Nennleistung?
Wie verhindert man, dass Anlagen gebaut werden, die auf dem Papier eine hohe Nennleistung haben, aber weniger tatsächliche Erträge bringen?
Was passiert, wenn die Leistung im Lauf der Jahre nachlässt?
Was ist das „prognostizierte Einspeiseprofil“?
Wird es einmalig berechnet oder laufend aktualisiert?
Wer berechnet es und entscheidet damit über viel Geld?
Welcher Aufwand ist dazu nötig?
Welchen konkreten Änderungen der Anlagenauslegung können durch die geänderte Vergütung angereizt werden?
Wird dadurch das Problem nennenswert gelöst, dass die Sonne nicht scheint bzw. der Wind nicht weht?
Wie verhindert man, dass PV- und Wind-Anlagen genauso wie im Konzept der Bundesregierung bei negativen Strompreisen bestraft werden, obwohl sie wenig an der witterungsbedingt schwankenden Erzeugung ändern können?
Wie verhindert man, dass durch Anlagen weniger rentabel werden und schwerer finanziert werden können, weil die Gesamt-Einnahmen von der Entwicklung der Strompreise abhängig sind?
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FAZIT:
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Es liegt öffentlich kein aktuelles konkretes Konzept vor. Es ist noch viel Arbeit und Zeit nötig, um aus den jetzigen Ideen und verschiedenen Möglichkeiten ein konkretes Konzept zu entwickeln. Dieses Konzept muss sorgfältig wissenschaftlich geprüft und mit den Akteur*innen der Bürger*innen-Energie abgestimmt werden. Nur so kann erreicht werden, dass es einerseits eine nennenswerte Verbesserung des schwankenden Angebots von PV- und Wind-Anlagen bringt und andererseits vermeidet, dass für die Anlagenbetreiber*innen die Vergütung schlecht kalkulierbar wird und damit EE-Anlage schwerer fremdfinanziert werden.
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Die Formulierung dieses Änderungsantrags ist ein Kompromissvorschlag, in dem sich alle wiederfinden können, auch die Befürworter der Vergütung nach Leistung.
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